Von Elenea Rüth
„Derzeit sind nur 15 Prozent des gesamten Shredderinputs Schrott im klassischen Sinn“, sagt Wolfgang Hang. Der Diplom-Wirtschaftsingenieur ist der Leiter der „Umweltmanagement und Recycling“-Sparte von BMW. Insgesamt 27 Mitarbeiter führt Hang. Die BMW Group beschäftigt sich seit Anfang der 90er Jahre intensiv mit dem Thema Altfahrzeugrecycling, das Recycling- und Demontagezentrum (RDZ) gibt es in dieser Form seit 1994.
Die Autos, die im RDZ in Lohhof bei München behandelt und recycelt werden, decken die gesamte Fahrzeugflotte des bayerischen Autoherstellers ab. Nur sind die knapp 4.000 Fahrzeuge, die hier pro Jahr auf dem Hof landen, meistens in einem optisch einwandfreien Zustand. Sie sind sogenannte „Erprobungsfahrzeuge“ mit zahlreichen Versuchsteilen, die vor allem zum Erkenntnisgewinn im Entwicklungsbereich dienen und anschließend im RDZ demontiert werden. „Wir arbeiten eng mit den Fahrzeugentwicklern zusammen“, sagt Hang. „Bei den Modellen von morgen wird schon bei der Entstehung geforscht, wie das Auto am besten wieder recycelt werden kann.“
BMW: „Bei den Modellen von morgen wird schon bei der Entstehung geforscht, wie das Auto am besten wieder recycelt werden kann.“
Neu ist diese Praxis nicht. Alle großen Autohersteller berücksichtigen schon seit Jahren bei der Konstruktion die anschließende Demontage ihrer Wägen. Das RDZ ist laut Hang dennoch einzigartig in der Automobilindustrie – „hier wurden zahlreiche Innovationen auf dem Gebiet der Recyclingtechnologie entwickelt“.
Autos sind noch nicht auf dem Markt
Dass die Forschungen deutlich intensiver geworden sind, ist nicht zuletzt dem Gesetzgeber geschuldet. Seit dem Jahr 2000 gilt in allen EU-Mitgliedstaaten, dass die Wiederverwendungs- und Verwertungsrate ab dem Jahr 2006 jährlich mindestens 85 Prozent und ab dem Jahre 2015 95 Prozent des durchschnittlichen Fahrzeuggewichts betragen muss. „Als Hersteller sind wir gut vorbereitet, weil unsere Produkte bereits heute schon dafür ausgelegt sind“, ist sich Hang sicher. Deshalb werden in Lohhof auch Autos zerlegt, die noch nicht mal auf dem Markt sind. „Wir sind den Abwrackbetrieben hier etwa 15 Jahre voraus“, erklärt Hang während hinter ihm in Halle 1 in einem neuen 7er-BMW alle Airbags fast zeitgleich eindrucksvoll ausgelöst werden. „In einem neuen Auto finden Sie bis zu 20 pyrotechnische Einrichtungen“, sagt der Ingenieur. „Für Fahrzeugmodelle weiterer Hersteller brauchen Sie derzeit noch weitere unterschiedliche Adapter.“
Um das den Abwrackern zu ersparen, wurde unter Führung der BMW Group eine international gültige Norm entwickelt, die zukünftig als Standardschnittstelle für alle Hersteller Anwendung findet. Den Abwrackbetrieben selbst ist das Adapterproblem bisher kaum bis gar nicht bekannt. Die Autos, die auf ihren Höfen landen, haben meistens gar keine oder nur wenige Airbags. Genau darin sieht Hang seine Aufgabe: „Wir lösen Probleme, von denen die Abwracker gar nicht wissen, dass sie auf sie zukommen könnten.“
Ein paar Meter weiter wird mit einem speziellen Anbohrgerät ein Loch in den Tankboden eines BMW gebohrt, anschließend wird der Benzintank leergesaugt. Durch einen Schlauch wird so das übrige Benzin aus dem Tank gepumpt. Gleiches gilt für die anderen Flüssigkeiten wie Getriebe- und Motoröl, Brems-, Hydraulik- und Kühlflüssigkeit. „Auch dieses Anbohrgerät, das dafür sorgt, dass kein Tropfen verloren geht und es vor allem nicht nach Öl und Benzin riecht, haben wir hier entwickelt“, sagt Hang. Nachdem der Prototyp-Bohrer ausreichend getestet wurde, wurde er an die zertifizierten Abwrackbetriebe weitergegeben.
Gleiches gilt für ein Gerät, das das Öl aus den Stoßdämpfern ablässt, ohne dass der Stoßdämpfer umständlich ausgebaut werden muss. „Da haben wir das Know-how an eine Firma abgegeben, die dieses Gerät jetzt vertreibt.“ Das abgepumpte Benzin wird weiterverwendet, das Öl entweder aufbereitet oder thermisch entsorgt.
In einem dritten Schritt werden Einzelteile wie Türen, Reifen, Felgen oder Sitze ausgebaut. Mit einigen Autos wurde beispielsweise zu Testzwecken bis zum Anschlag über den Nürburgring gerast. Weil sie aus versicherungstechnischen Gründen anschließend nicht verkauft werden können, werden auch diese Wägen im Demontagezentrum zerlegt. Viele Teile werden dann wieder an die Entwicklungsabteilung zurückgegeben, die diese in die nächsten Testwägen einbaut.
„Bis zu 20.000 Teile pro Jahr schicken wir zurück an die Ingenieure“, sagt Hang. Dadurch werden jährlich 200.000 Euro eingespart. Eines der wertvollsten Komponenten für Recycler – der Kat – wird ebenfalls vorsichtig aus dem Auto geschnitten. „80 bis 100 Euro bekommen Sie für einen BMW-Kat“, sagt Hang. Seltene Metalle wie Platin, Palladium und Rhodium machen den Kat so attraktiv. Hang hat daher auch wenig Verständnis für Klagen seitens der Schrottbetriebe. Auch wenn die Preise stark gesunken sind, der Verkauf der einzelnen Elemente aus den Altautos sei nach wie vor lukrativ.
„Mehr ist nicht möglich“
Anschließend ist der BMW ein Fall für die Presse. Der entstandene Würfel wird an externe Shredderbetriebe weitergeleitet. Zwei Drittel weniger als im vergangenen Jahr bekommt das Zentrum für eine angelieferte Tonne. Auch hier beteiligt sich die Recyclingabteilung an Forschung und Entwicklung. In einem Großversuch wurden 501 geshredderte Autos vor zwei Jahren mit High-Tech-Verfahren, wie dem Schwimm-Sink-Verfahren oder der Wirbelstromabscheidung getrennt. Dabei wurde die Recycling- und Verwertungsquote untersucht. Das Ergebnis: die Verwertungsquote liegt bei fast 97 Prozent. „Mehr ist nicht möglich“, ist sich Hang sicher. Somit sollten die Quoten für 2015 erreichbar sein.
Auch wenn inzwischen in den Neuwägen etwa 15 Prozent der verbauten Kunststoffe aus Rezyklaten und fast die Hälfte der Metalle aus Recyclingmetallen besteht, ist die Zusammenarbeit zwischen Recycling- und Entwicklungsabteilung manchmal nicht einfach. Zu gegensätzlich sind die Vorstellungen und Wünsche. „Aus Recyclingsicht wäre es sicher gut, beim Autobau wieder zu den schwereren Metallen zurückzukehren und nicht die Stoßstangen aus Kunststoff herzustellen“, sagt Hang. „Aber dann verbraucht so ein Auto auch 13 Liter auf 100 Kilometer, das kann ja auch nicht sinnvoll sein.“
Ganz ohne Benzin sollen die Autos der Zukunft auskommen. „Der Elektromini wird kommen“, ist sich Hang sicher. Bei der Entwicklung hat sein Team Input gegeben. Wie dann beim Verschrotten mit der Lithium-Ionen-Batterie umgegangen werden muss, hat sein Team längt herausgefunden.