Mit diesem Konzept haben die Gießener Wissenschaftler Prof. Ernst A. Stadlbauer und Sebastian Bojanowski zusammen mit dem Recyclingunternehmer Bernhard Jehle, Inhaber des mittelständischen Unternehmens ZMW Elekronik Recycling GmbH (Heuchelheim, www.zme-heuchelheim.de) den zweiten Platz beim 3. Hessischen Kooperationspreis gewonnen. Laut einem Bericht des online-Dienstes „PlasTicker“ nahmen die drei kürzlich die Auszeichnung von Hessens Wirtschaftsminister Dr. Alois Rhiel während der Jahrestagung des TechnologieTransferNetzwerkes Hessen (TTN, www.ttn-hessen.de) in der Fachhochschule Gießen-Friedberg (www.fh-giessen-friedberg.de) entgegen.
Das Gewinnerteam des zweiten Preises beim 3. Hessischen Kooperationspreis v.l.n.r. Prof. Dr. Günther Grabatin, Präsident FH Gießen-Friedberg, Sebastian Bojanowski (FH Gießen-Friedberg, Entsorgungstechnik), Bernhard Jehle (ZME Elektronik Recycling GmbH), Prof. Dr. Ernst A. Stadlbauer (FH Gießen-Friedberg, Entsorgungstechnik), Dr. Alois Rhiel, Hessischer Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung
In Ernst Stadlbauers Labor für Entsorgungstechnik an der Fachhochschule Gießen-Friedberg hat man zusammen mit Jehles Firma ZME einen Weg gefunden, um Kunststoffmüll in eine Art von Dieselöl umzuwandeln.
„Wir machen nach, was man von der Grube Messel kennt“, fasst Prof. Stadlbauer das Prinzip des preisgekrönten Projektes augenzwinkernd zusammen. Die südhessische Fossil-Lagerstätte ist berühmt für Tonschiefer, die Öl enthalten – vor Millionen Jahren entstanden durch mikrobielle Zersetzung mit Hilfe von Katalysatoren.
Die Projektpartner kopieren diesen Vorgang beim Abbau von Kunststoffen.
Die eingesetzten Materialien – Polyethylen und Polypropylen – fallen bei der Entsorgung von Elektroschrott an, auf die das Unternehmen ZME Elektronik Recycling spezialisiert ist.
„Bei sortenreinem Kunststoff ist das Recycling easy“, sagt Geschäftsführer Jehle. Mischmaterialien eignen sich dagegen nicht für eine werkstoffliche Rückgewinnung. Sie werden bislang zumeist in Heizkraftwerken verbrannt.
„Das neue Verfahren zielt genau auf die Mischkunststoffe, die sich nicht trennen lassen“, erklärt der Entsorgungsunternehmer. Die Methode der Thermokatalyse, die dabei zum Einsatz kommt, macht aus langkettigen Ausgangsverbindungen kürzere, flüssige Kohlenwasserstoffe. Die gespeicherte Synthese-Energie bleibt weitgehend erhalten und lässt sich weiter nutzen.
Die Kooperationspartner rechnen bei den derzeitigen Heizölpreisen mit einem Erlös von etwa 450 Euro pro Tonne Kunststoff, das sind 350 Euro mehr als bei der herkömmlichen Verwertung. Der entscheidende Trick, um den Prozess zum Laufen zu bringen, ist die Wahl des Katalysators, der die Reaktionstemperatur herabsetzt. Er besteht aus porösen Aluminiumsilikaten, die bei 400°C als Säure wirken und dadurch die Kohlenstoffketten zersetzen – „schöpferische Zerstörung“ nennt Stadlbauer das.
Für das Verfahren kommt ein eigens entwickelter Reaktor zum Einsatz, der bereits patentiert ist. Der ganze Prozess ist an ein Vorgängerprojekt angelehnt, bei dem erfolgreich Öl aus Tierfetten gewonnen wurde.
Daraus entstand der Plan, auch Kunststoffe auf ähnliche Weise zu recyclen. „Die Idee fand ich sehr interessant vor dem Hintergrund meines Geschäftsfeldes“, erinnert sich Jehle, der einst sein Ingenieurdiplom bei Stadlbauer erlangt hat. Der wiederum attestiert seinem ehemaligen Studenten, „dass ich Wirtschaftlichkeit von ihm gelernt habe.“
Aus dem Lehrer-Schüler-Verhältnis ist mittlerweile eine Partnerschaft erwachsen. „Kooperation ist nichts Theoretisches“, so Jehle, „man bleibt zusammen.“
Was die Zusammenarbeit mit Hochschulen angehe, bezeichnet sich der Unternehmer selbst als einen „Überzeugungstäter“: „Wir können als Recyclingfirma nur überleben, wenn wir Intelligenz einsetzen: “Als nächstes soll eine Pilotanlage für die Kunststoffkonversion entstehen. Finanziert werden soll dieses Vorhaben von der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen AiF.
„Wenn es gelingt, billigere Katalysatoren zu verwenden, dann lohnt es sich, kleine Anlagen aufzubauen“, sagt Jehle über die weiteren Aussichten des Projekts.
Stadlbauer plant, Sand aus der Grube Messel als Katalysator einzusetzen – der Sand habe diese Funktion immerhin schon vor Millionen Jahren bei der natürlichen Ölentstehung erfüllt. Dabei koste das Material nur ein Prozent der maßgeschneiderten Industriekatalysatoren, die bisher zum Einsatz gekommen sind.